Aufgabe der Netzbetreiber wie der TenneT TSO GmbH muss es also sein, den Strombedarf für jede Stunde und jeden Tag des Jahres verlässlich zu prognostizieren und auf Prognoseabweichungen sehr schnell zu reagieren. Die Einspeisung der Erneuerbaren Energien wie Wind und PV kann von der Prognose, die von mehreren Institutionen, wie beispielsweise unserem Kasseler korporativen Mitglied enercast GmbH an EVU und andere geliefert werden, kann von der Realität abweichen, aber auch die Lastentwicklung kann abweichen und neben veränderlichen Netzverlusten infolge anderer Wege innerhalb des vermaschten Übertragungsnetzes können aufgrund von plötzlich aufgetretenen Störungen auch die Fahrpläne der Kraftwerke ins Wanken geraten.
Hierzu ist zu bemerken, dass wir in Europa von Portugal über Frankreich, Dänemark, Polen, Rumänien und Griechenland bis Italien ein vermaschtes Übertragungsnetz mit zahlreichen Verbindungen zwischen den einzelnen aneinander grenzenden Ländern betreiben und somit eine einheitliche Frequenz herrscht, wenn auch mit je nach Entfernung, Leitungsform und Belastung unterschiedlichen Phasenverschiebungen zwischen diesen Ländern. Wechsel- und somit auch Drehstrom verläuft im Idealfall in seiner Spannungsform nach einer Sinuskurve, es gibt also mit der Frequenz von 50 Hertz (Hz) verlaufende positive Spannungsmaxima, Spannungsnulldurchgänge und negative Spannungsmaxima und diese können zeitlich geringfügig je nach induktiver oder kapazitiver Last verschoben sein.
Was passiert in solchen Fällen? Da Strom faktisch nicht speicherbar ist, muss die Erzeugung genau der benötigten Leistung entsprechen, Verbrauch und Produktion also in Waage sein, wie die obige Folie 19 zeigt. Steigt der Verbrauch, also die momentan benötigte Leistung, über die Produktion, also die momentan zur Verfügung gestellte Leistung, wird sich der Waagebalken nach links neigen und die Frequenz von 50 Hz sinken. Umgekehrt wird die Frequenz ansteigen, wenn weniger Leistung benötigt wird als angeboten. Dies muss schnellstens ausgeregelt werden und dazu gibt es mehrere Regelleistungsarten. Unabhängig von den genannten Phasenverschiebungen, auf die hier nicht weiter eingegangen wird, haben alle Generatoren in den europäischen Kraftwerken zu jedem Zeitpunkt den gleichen Spannungsverlauf in der Sinusform, also alle gleichzeitig ihr positives Spannungsmaximum usw. Und wenn beispielsweise die momentane Last größer als die Erzeugung ist, wird überall die Frequenz sinken. Um dies auszugleichen existieren diese Regelleistungsarten.
1. Primärregelung
Hier reagieren vollautomatisch die ausschließlich proportionalen Regler in den größeren Kraftwerken. Bei einer Frequenzänderung von 0,2 Hz müssen sie innerhalb von 30 Sek. ihre gesamte Primärregelleistungsreserve, die europaweit +/- 3.000 MW und deutschlandweit +/- 700 MW beträgt, zur Verfügung stellen. Also muss in Wärmekraftwerken wie Braunkohle- und (noch) Kernkraftwerken bei Frequenzabfall durch Laststeigerungen die Dampfzufuhr erhöht, bei Frequenzsteigerungen durch Lastabfall verringert werden. Windkraftanlagen und PV-Anlagen, die in der Regel über netzgeführte Umrichter betrieben werden, und beteiligen sich nicht an der Primärregelung, sie folgen einfach der Netzfrequenz (Sondersituation 50,2 Hz bei PV-Anlagen).
2. Sekundärregelung
Die integrale Sekundärregelung muss ebenfalls das Gleichgewicht zwischen Verbrauch und Produktion wieder herstellen. Allerdings gilt dies nur in der jeweiligen Regelzone, von denen das Netzgebiet der TenneT TSO eine ist. Es wird hier die Situation in der jeweiligen Regelzone inklusive des Stromaustauschs mit anderen Regelzonen betrachtet, also die tatsächlichen Energiezu- und abflüsse mit den geplanten verglichen und ausgeregelt. Auch dies erfolgt automatisch, die gesamte Regelleistung muss innerhalb von fünf Minuten erbracht werden und die Ausregelung nach 15 Minuten die Primärregelung abgelöst haben, sodass deren Leistung wieder als Primärregelleistungsreserve zur Verfügung steht. Zum Einsatz kommen Steinkohlekraftwerke, kombinierte Gasturbinen-/Dampfkraftwerke (GuD-Kraftwerke) und auch Pumpspeicherkraftwerke wie in unserer Region Waldeck I und II. Zur Reduzierung der Kosten gründeten die Übertragungsnetzbetreiber mittlerweile eine gemeinsame Gesellschaft für die Sekundärregelung.
3. Tertiärregelung (Minutenreserve)
Diese Regelung dient vorwiegend der wirtschaftlichen Optimierung, wird automatisch beim Lieferanten abgerufen und muss die vorgehaltene Minutenreserveleistung innerhalb von 15 Minuten zur Verfügung stellen. Zum Einsatz kommen hier sowohl konventionelle Kraftwerke wie auch regelbare Lasten.